Vor noch nicht langer Zeit haben die Welpen begonnen, die nähere Umgebung zu erkunden. Neugierig untersuchen sie alles mit ihren spitzen Zähnchen, rangeln miteinander und geniessen die warmen Sonnenstrahlen. Die Wölfin ruht derweil an einem leicht erhöhten Platz, von wo sie eine gute Sicht auf die umliegende Landschaft hat. Niemand kann sich ihren Kleinen nähern, ohne von ihr bemerkt zu werden. Sollte ihnen tatsächlich ernste Gefahr drohen, würden sie und ihr Gefährte vor einem Kampf nicht zurückschrecken.
Die älteren Söhne und Töchter der Wölfin bilden das weitere Rudel. Sie orientieren sich ebenfalls an ihr, solange sie entspannt ruht, brauchen sie nichts zu befürchten. Während die Kleinen die Mutter noch in ihrem harmlosen, aber wilden Spiel attackieren dürfen, können sich das die älteren Geschwister nicht mehr erlauben. Die Wölfin würde derartiges Gebaren bei ihnen eindeutig und unmissverständlich unterbinden. So heftig sie aber ihre älteren Söhne und Töchter korrigiert, so gerecht ist sie auch. Nie erniedrigt sie ihre Kinder oder reitet längere Zeit auf einem Fehltritt herum. Entschuldigungen werden sofort angenommen und danach ist jeder Zwist vergessen.
Die beiden Elterntiere bestimmen den Tagesablauf, die Ruhe- und Jagdphasen. Sie wählen die Jagdstrategie. Sie entscheiden, wann begrüsst, geflohen oder gekämpft wird. Sie teilen das Futter und die Schlafplätze zu. Die Rudelmitglieder fühlen sich sicher unter der Führung der Wölfin und ihres Gefährten und zweifeln deren Entscheidungen nicht an. Sie haben ihr ganzes bisheriges Leben erlebt, dass es sich lohnt, der Erfahrung der Eltern zu vertrauen, da diese ohne Wenn und Aber die gesamte Verantwortung für jede Entscheidung und jedes einzelne Rudelmitglied übernehmen und zuverlässig tragen.
Die Wölfin und ihr Gefährte agieren, während der Rest des Rudels auf ihre Signale reagiert. Gelassen und souverän strahlen sie Ruhe und Sicherheit aus. Sie haben sich ihren Rang nicht erkämpft. Sie halten sich nicht mit Gewalt an der Macht.
Sie sind die Alphas des Rudels. Vor allem aber sind sie die Eltern. Und damit ist eigentlich alles gesagt.
Ich lese Juul und Hüther und Montessori und Largo und Leboyer und Pikler und Hodgkinson und und und... Ich begegne Begriffen wie "Bindungsorientierte Elternschaft", "Gleichwürdigkeit", und "Selbstwert" und vielem mehr und bin froh und dankbar, dass meine Gefühle Worte finden und mein Herz und Hirn Vordenker und Mitstreiter. So sehr ich solche Lektüre schätze, so sehr weiss ich auch, dass deren Umsetzung bisweilen ganz schön knifflig sein kann.
Und da kommt er ins Spiel: Mein kleiner domestizierter Wolf, der mich in die Kunst des Alpha- oder Elternseins eingeführt hat, lange bevor ich wirklich Mutter wurde. Der mich gezwungen hat, Verantwortung zu übernehmen, die "Jagd" anzuführen, für Sicherheit zu garantieren und die passenden Plätze zuzuweisen, damit sich alle entspannen können. Der mich gelehrt hat, meine Gedanken und Gefühle in Körper(ent)spannung, Atem und Bewegung umzusetzen und sie damit verständlich zu machen. Der mir gezeigt hat, dass es sich lohnt, Lob und Tadel und Ignorieren passend und differenziert einzusetzen. Für den grosse Ideen nichtig und allein gelungene Taten von Bedeutung sind. Mein Hund hat mich eingeführt in die Kunst des liebevollen und klaren Führens. Dafür werde ich ihm bis in alle Ewigkeit dankbar sein.
Etwas lässt mir keine Ruhe: Woher eigentlich können Wölfe Erziehungsratgeber lesen und dermassen gut umsetzen?
oder :: woher können eigentlich erziehungsratgeberschreiber wölfe so gut beobachten und ihr verhalten sprachlich fassen?
AntwortenLöschenwas wäre denn an lektüre dein heißester tipp? gute (! und bei dir bin ich überzeugt, dass wir darunter beide etwas allermindestens sehr ähnliches verstehen) erziehungsratgeber finde ich etwas herrliches und ich liebe es, sie zu lesen.
Die Frage von Ulma ist zwar schon ein paar Tage her, aber ich schließe mich ihr trotzdem an, vielleicht kommst Du ja mal zu einer Empfehlung. ;)
AntwortenLöschenIch glaube übrigens auch, dass ich sehr vom Zusammensein mit Pferden und Hunden profitiert habe, in tausenderlei Hinsicht, aber auch und gerade in Bezug auf das Kind. So oft sehe und höre ich Eltern, die auf Kinder einreden, Stimme lieblich, Körperhaltung bedrohlich, Worte freundlich, Klang der Stimme vernichtend. Sicher vor solcherlei Missklängen und Dissonanzen bin ich nicht, aber meist fallen sie mir wenigstens rasch auf, so gewöhnt bin ich daran, dass mein Gegenüber vielleicht nicht en detail versteht, was ich sage - dafür aber umso genauer das Wie erfasst und das Dahinter, und darauf klar und eigentlich unmissverständlich reagiert.
Was Du übrigens so "klein" nennst - unser größenwahnsinniger Miniaturwolf ist ein Terrier, Deiner kommt mir dagegen schon durchaus anständig wolfsformatig vor.