Montag, 22. April 2013

Esel und Gockel. Eine Parade der Eitelkeiten?

Es lesen sich spannende Worte bei MiMa und Ulma. Ich kann mich nicht kurz fassen, und deshalb schreibe ich hier meine Antwort. Ganz bewusst nicht als Kommentar zu dem Geschriebenen, sondern als meinen aktuellen persönlichen Standpunkt. Der natürlich nicht in Stein gemeisselt ist.

Schon als Kind habe ich gezeichnet und gewerkelt. Für Bastelanleitungen konnte ich mich immer wahnsinnig begeistern. Vieles habe ich angefangen, kaum etwas fertiggestellt. Diese Tendenz begleitet mich bis heute. Und genau deshalb führe ich unter anderem mein Blog. Um durchzuhalten bis zum Schluss, da die Aussicht auf Präsentation auf mich zu wirken scheint wie die Karotte an der Angel auf den Esel. Aber ein Esel bin ich gerne. Und glücklich darf ich feststellen, dass meine Strategie funktioniert.

Für mich hat dieser DIY-Boom (oder wie man das nennen mag) tatsächlich die Hemmschwelle tiefer gelegt. YouTube-Tutorials, Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit Fotos und verschiedenste Blogs haben gerade Strickprojekte, welche für mich ein Buch mit sieben Siegel waren, möglich gemacht. Die Erkenntnis, dass da andere auch einfach probieren und improvisieren und nur mit Wasser kochen, hat einen "Intelligenz-Transfer" ermöglicht, wo vorher nur resignierte Hilflosigkeit regiert hat.

Die Entscheidung "Zeit statt Geld", welche der Gefährte und ich für unser Leben und speziell für die Phase mit einem kleinen Kind getroffen haben, führt zwangsläufig dazu, dass man DIY betreibt. Nicht dieses DIY der Hochglanzbuchdeckel. So habe ich beispielsweise heute im Wald Ausschau nach Holundersetzlingen gehalten und einiges an Geäst mit dem Kinderwagen nach Hause geschleppt (den Frischling hats nicht gestört, der hat, darunter "begraben", friedlich gepennt). Gartencenter wär die Geld-Variante gewesen. Für mich passts so. Auch in andern Lebensbereichen. Sammeln, finden, verwerten, reparieren, umfunktionieren,... Kompost statt Kunstdünger. Waldspaziergang statt Fitnesscenter. Qualität statt Quantität.

Wenn mich in fremden Blogs kleine Basteleien anlächeln, sind dies oft Variationen von Sachen, die mir schon früher lieb waren. In Vergessenheit geratene, einfache Techniken, Ideen, Möglichkeiten. Bei Rezepten ist es dasselbe. Vertrautes, welches in etwas neuer Form plötzlich wieder meinen Weg kreuzt. Eine wunderbare Möglichkeit, mich an frühere Herzenssachen zu erinnern.

Ich will ein ehrliches Leben leben. Dazu gehört beispielsweise, dass Dinge ihre Zeit brauchen und diese auch kriegen sollen. Kochen ist so ein Beispiel. Nichts geht über das Warten, wenn ein Teig zu gehen hat. Stricken funktioniert auch nicht zwischen Tür und Angel. Zeichnen auch nicht.

Und da bin ich schon bei der Krux. Beim Anspruch. Basteln kann ich nicht gut, deshalb fällt es mir leicht. Ich bin schon über löchrig gestrickte Reihen glücklich und stolz. Zeichnen ist viel schwieriger. Da habe ich meine Vorstellungen. Kenne alles von Jan Van Eyck bis Anselm Kiefer (um nur zwei zu nennen). Ich habe zwar Zugang zu Siebdruckausrüstung, Fotolabor, Brennofen, Schweissgerät,... weiss aber, dass gute Gestaltung harte (wenn auch schöne) Arbeit ist. Neben Erwerbsarbeit und Familie und dem täglichen Wahnsinn fehlt mir (meistens) der Mut, die Kraft und die Zeit, mich ans weisse Blatt Papier zu wagen. Die Bastelei hingegen macht mich glücklich und stolz, gerade weil sie NICHT kreativ ist. Ich finde, einer Strickanleitung zu folgen ist unkreativer, als ein Sudoku zu lösen. Das Resultat hingegen macht viel mehr Freude.  Maschen zählen, buntes Papier aufkleben oder falten, Gummibänder um Eier wickeln und diese dann einfärben, solche Sachen schaffe ich aber alleweil. Und geniesse das zudem sehr.

Vor längerer Zeit unterhielt ich mich mal mit einer Schafzüchterin. Dass wir uns noch nicht klar seien, wie wir die Tiere halten wollten (regelmässige Leserinnen kennen diese Fragen bereits). Dass es halt schon Vorteile habe, im Frühling jeweils Lämmer zu kaufen und diese dann jeweils im Herbst zu schlachten. Vorteile schon, meinte die gescheite Frau, aber das sei einfach Pseudo-Schafhaltung. Recht hatte sie! Aber manchmal ist Pseudo ein guter Start. Eine Schmalspurvariante, bei welcher man Erfahrungen sammeln kann, Sicherheit gewinnt und Fehler nicht so sehr ins Gewicht fallen.

In diesem Sinne werde ich hier immer wieder banales Gebastel zeigen. Und jedes Mal, wenn es eine Zeichnung in dieses Blog schafft, will ich doppelt und dreifach stolz sein. Deshalb lass ich jetzt den Gockel doch noch auftreten. Obwohl er überhaupt nicht zum Thema passt. Aber ich musste mir vor einigen Tagen das Aquarellieren vergegenwärtigen, und da hat er sich einfach so herausgemausert aus dem Papier.



Liebste, beste d., ich weiss, du liest mit. Hab Dank für die schönen Gespräche dann und wann. Inspiration, Zuspruch, manchmal Kritik, du bereicherst mein Leben sehr. Wie öde wärs ohne dich.

6 Kommentare:

  1. ich glaube, zu jedem einzelnen satz hier sage ich: ja. und sehr bin ich für die bastelei und verbeuge mich vor jeder zeichnung sowieso. bleibt wieder einmal zu vemerken: sehr mag ich es hier bei dir.
    liebe grüße von ulma

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    1. glücklich im übrigen immer, wenn die zeitstattgelddevise auch anderswo auftaucht.

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  2. Ja, ich auch, JA! Ich kann unter wohl jeden einzelnen deiner Sätze einen ganz dicken, fetten Strick ziehen; du sprichst mir aus der Seele! Und, hey, ich wollte mich auch endlich mal für deine mail bedanken; ich werde noch antworten. Ich will...und hoffe auf Zeit-Nischen... liebe Grüsse!
    Bora

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  3. Wie schön, dein Blog entdeckt zu haben! Ja, zu jedem Satz! Wunderbar der Gockel, herrlich akzentuiert dein Hasengruß. Versinke staunend in Schafbildern, ist das doch ein großer Traum von mir. Und bin auch für ZeitstattGeld, gerade und weil Kinder so schnell groß werden!
    Hab Dank für dein Kommentar, ohne dass ich nicht hergefunden hab bis jetzt!
    Liebe Freitagsgrüße
    Dania

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  4. wie stolz war ich, als ich mithilfe eines solchen tutorials meinen ersten wunderschönen weihnachtsstern gefaltet hatte, bei dem ich dachte, so etwas könne ich nie! ansonsten mag ich selbst lieber freie werkelarbeiten, wo ich nicht zählen oder messen muss, das liegt mir nicht so. ich finde aber, alles was man mit seinen händen (und dem kopf und dem bauch!) macht, ist lohnenswert. egal ob kochen, blumen säen, maschen stricken oder papier kleben.
    viele grüße von mano

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  5. Du bist eine sehr gute Zeichnerin.
    (und das sage ich jetzt nicht nur so!)
    Ich mag das Bild von dem Esel mit der Möhre, ich glaube ich bin auch so.
    "Echte" Künstler arbeiten für sich, sind sich selbst genug, ihre Arbeit, ist das wofür sie leben. Deshalb bin ich keine Künstlerin.
    Ich brauche ein kleines Publikum, Bestätigung und eben diesen Druck, den ein eigener Blog manchmal ausübt.
    Und ganz ehrlich: Warum soll man jetzt nicht mehr basteln dürfen? Ich habe das nicht ganz verstanden.
    Und jetzt mal gucken , wer zuerst an der Möhre ist! ;)
    Liebe Grüsse, auch an jedes einzelne Schaf!

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Ich freue mich über jeden Kommentar.
Weil dann Statistik-Zahlen zu Menschen werden.
Dank dir.